DER NUKLEÄRE TRANSPORT

NEUE ANSÄTZE FÜR DIE KREBSTHERAPIE

Wie alle eukaryotischen Zellen besitzen auch menschliche Zellen einen Zellkern, der durch eine Kernmembran umhüllt und dadurch vom Zellplasma getrennt wird. Der Transport durch die Kernmembran erfolgt über den Kernporenkomplex und ist eine Schnittstelle zahlreicher und essenzieller zellulärer Funktionen. Darunter sind insbesondere Schlüsselelemente der Krebsentwicklung.
Die Rolle der am Transport beteiligten Proteine bei der Tumorentstehung wird durch ihre Dysregulation bei vielen hämatologischen Malignomen deutlich. Unter den zahlreichen Molekülen, die durch Kerntransportproteine aus dem Zellkern exportiert werden, befinden sich Onkogene, Tumorsuppressorgene sowie Proteine, die an wichtigen Signaltransduktionswegen beteiligt sind.
Gut untersucht ist bisher das Exportprotein XPO1.

XPO1 als onkogener Treiber und therapeutisches Target bei Krebs1

XPO1 vermittelt den Export von Proteinen und RNA aus dem Zellkern in das Zytoplasma. So ist XPO1 an der Ausfuhr von über 220 Proteinen beteiligt, darunter auch Tumorsuppressoren wie p53, BRCA1/2 und p27.

XPO1 ist bei Krebserkrankungen häufig überexprimiert und fungiert als onkogener Treiber. Die Überexpression von XPO1 führt zu einem gestörten Kern-Zytoplasma-Transport und zu einer Verlagerung von wichtigen Tumorsuppressoren in das Zytoplasma, letztlich deren funktioneller Inaktivierung. Klinische Relevanz wird unter anderem vermutet bei Lymphomen (Non-Hodgkin-Lymphom, diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom), Leukämien (ALL, AML) und dem Multiplen Myelom (MM).
Krebszelle ohne XPO1-Inhibitor Zellkern Fracht- proteine Zyto- plasma XPO1 Uneinge schränktes Wachstum der Krebszellen
Die Blockade des nukleären Exports von Tumorsuppressoren wird dann auch als primärer Wirkmechanismus (MOA) für XPO1 Inhibitoren angesehen und stellt eine neuartige therapeutische Strategie dar: SINE, Selektive Inhibitoren des Kernexports (selective inhibitors of nuclear export). Derzeit ist der erste XPO1-Inhibitor für den klinischen Einsatz zugelassen.
Krebszelle mit XPO1-Inhibitor Zellzyklusstillstand und Apoptose XPO1- Inhibitor
Krebszelle mit XPO1-Inhibitor Krebszelle ohne XPO1-Inhibitor Zytoplasma XPO1 Zellkern Frachtproteine XPO1-Inhibitor Uneingeschränktes Wachstum der Krebszellen Zellzyklusstillstand und Apoptose

Die Rationale der XPO1-Inhibition durch SINE für die Krebstherapie:

SINE können von besonderer Relevanz in der Krebstherapie sein,
  • als neue Wirkstoffklasse, um bestehende Therapieoptionen zu ergänzen, wie Immunmodulatoren, monoklonale Antikörper oder Immuntherapien.
  • für die Wahl der Wirkstoffkombinationen, mit Blick auf die direkte Funktion von Krebstargets als auch auf deren intrazelluläre Lokalisierung.
  • um Resistenzen gegen aktuelle Behandlungen zu überwinden.2
XPO1 –
Das Zusammenspiel des Wirkmechanismus mit anderen Wirkstoffklassen im Detail.
SINE –
Ein neuer Wirkmechanismus erweitert das Behandlungsspektrum in der Hämatologie und Onkologie.
  • Azizian NG, Li Y. XPO1-dependent nuclear export as a target for cancer therapy. J Hematol Oncol. 2020;13(1):61.
  • Nachmias B, Schimmer AD. Targeting nuclear import and export in hematological malignancies. Leukemia. 2020;34:2875–2886.