MULTIPLES MYELOM

DIE THERAPIE IST WEITERHIN IM UMBRUCH

Nachdem das Multiple Myelom (MM) über viele Jahrzehnte nur ungenügend therapierbar war, gibt es in den letzten Jahren beachtliche therapeutische Fortschritte, sowohl beim neu diagnostizierten MM (NDMM) als auch beim rezidivierten/refraktären MM (RRMM).

Dabei sind es nicht nur neue Wirkstoffe, die den Unterschied ausmachen und die therapeutischen Optionen weiterentwickeln, sondern insbesondere die Einführung neuer Wirkstoffklassen.

Heute werden häufig Dreier- und Vierer-Wirkstoffkombinationen von Medikamenten mit unterschiedlichen Wirkmechanismen (MoA) eingesetzt, die MM-Zellen synergistisch abtöten.

1L vs. 2L+:
Die MM-Erstlinientherapie ändert sich und beeinflusst die Behandlung von Patienten mit Rezidiv

ESMO Guidelines:1

The approval of Dara-based regimens (DaraVTD, DaraVMP and DaraRd) and of VRd, as first-line therapy for myeloma patients, makes the treatment of second and subsequent lines of therapy very challenging.

Der Eintritt von Dreier- und Viererkombinationen bestehend aus Proteasominhibitoren oder Immunmodulatoren mit monoklonalen anti-CD38-Anktikörpern (DaraVTD, DaraVMP und DaraRd) in die Erstlinientherapie1, verändert die Behandlungssituation durchgreifend und verbessert die Prognose der Patienten deutlich. Eine Ansprechdauer von mehreren Jahren ist heute möglich.2,3 Trotz dieser beachtlichen therapeutischen Fortschritte ist der Krankheitsverlauf beim Multiplen Myelom oft von wiederholten Rezidiven geprägt.

Exemplarischer Verlauf des Multiplen Myeloms:
Zyklen von Therapie-ansprechen, Remission und Rückfall folgen aufeinander, während die klonale Evolution der Myelomzellen im Zusammenhang mit einer abnehmenden Tiefe und Dauer des Ansprechens fortschreitet.4
Klonale Evolution Maligne Transformation M-Protein Zeit 10 5 2 Erstlinien- therapie Zweitlinien- therapie Drittlinien- therapie Asymptomatisch Symptomatisch AKTIVES MYELOM RÜCKFALL RÜCKFALL RÜCKFALL REMISSION MGUS oder SMOLDERING MYELOMA Abbildung verändert nach Kurtin SE. J Adv Pract Oncol. 2013. 4

Eine Erstlinientherapie, die bereits zwei oder drei unterschiedliche Wirkmechanismen vereint, kann, unter Berücksichtigung der Forderung nach mindestens einer, besser noch zwei neuen Wirkmechanismen bei einem Rückfall9, für die Behandlung in Zweit- und Folgelinien eine therapeutische Herausforderung sein.1 Denn über kurz oder lang entwickeln sich meist Resistenzen und das Multiple Myelom wird refraktär. So stellt das Auftreten von Resistenzen nach wie vor eine wichtige Komplikation der Behandlung dar.

Das Auftreten von behandlungsresistenten, also arzneimittelresistenten Subklonen, d.h. die klonale Evolution von Myelomzellen, ist ein wesentliches Merkmal von Rückfällen beim Multiplen Myelom. Dieser Prozess der natürlichen Selektion, unter dem Selektionsdruck von Therapie und Tumormikromilieu, erleichtert die Bildung genetisch komplexer und heterogener Tumoren, die bekanntermaßen schwer zu behandeln sind und maßgeblich zum Therapieversagen beitragen.5,6

Insgesamt besteht daher ein hoher Bedarf an neuen Behandlungsmöglichkeiten.10

Klonale Evolution von Myelomzellen in den Therapielinien 1-27
Klon 1.1 Klon 1.2 Klon 2.1 Klon 2.2 Div. Diagnose Remission 1. Rezidiv 2. Rezidiv 1L Erhaltungs- therapie 2L Klon 1.1 Klon 1.2 Klon 2.1 Klon 2.2 Div. Diagnose 1L Remission 1. Rezidiv Erhaltungs- therapie 2L 2. Rezidiv
Abbildung verändert nach Keats JJ et al. Blood. 2012.7

Selinexor:
First-in-Class selektiver Inhibitor des Kernexports für die RRMM Therapie

Selinexor ist der erste zugelassene orale, selektive Inhibitor des XPO1-vermittelten Kernexports, der zu einer Reaktivierung der Tumorsuppressor-Funktion führt. Selinexor stellt für die Behandlung in der Zweitlinie eine wichtige, neue Wirkstoffklasse zur Verfügung:*
  • um bestehende Therapieoptionen zu ergänzen, wie Proteasom-Inhibitoren (PIs), Immunmodulatoren (IMiDs), monoklonale Antikörper (anti-CD38 mAbs) und Immuntherapien.
  • für die Wahl von Behandlungskombinationen, mit Blick auf die direkte Funktion von Krebstargets als auch auf deren intrazellulären Lokalisierung.
  • um Resistenzen gegen aktuelle Behandlungen überwinden zu können.8

Angesichts der unterschiedlichen Angriffspunkte und Wirkmechanismen der verschiedenen Myelom-Medikamentenklassen variieren die Resistenzmechanismen, die zu einem Rückfall führen, je nach eingesetzter Therapie. Dies wiederum ist der Grund, warum Kombinationen aus 3 und 4 Medikamenten die MM-Zellen synergistisch abtöten und die Medikamentenresistenz überwinden können.

XPO1 ist als kritischer Player für die Medikamentenresistenz bei vielen Krebsarten identifiziert worden.9 Die Hemmung von XPO1 kann so helfen, Resistenzen zu überwinden.8,9

* Selinexor ist in Kombination mit Bortezomib und Dexamethason für die Behandlung des Multiplen Myeloms bei erwachsenen Patienten indiziert, die zuvor mindestens eine Therapie erhalten haben. Selinexor ist außerdem in Kombination mit Dexamethason für die Behandlung des Multiplen Myeloms bei erwachsenen Patienten indiziert, die zuvor mindestens vier Therapien erhalten haben und deren Erkrankung gegenüber mindestens zwei Proteasom-Inhibitoren, zwei immunmodulatorischen Arzneimitteln und einem monoklonalen Anti-CD38-Antikörper refraktär ist und bei denen unter der letzten Therapie eine Progression der Erkrankung aufgetreten ist.

Molekulare Mechanismen, durch die XPO1-Inhibitoren die Arzneimittelsensitivität von resistenten MM-Zellen wiederherstellen können9

Abbildung verändert nach Sellin M et al. Transl Oncol 2022. Transl Oncol 2022. 9 *Ibrutinib, Gefitinib
Retention im Zytoplasma von: A. TP53, cIAP/Survivn/MCL1 und PP2A tragen zu klassenübergreifender Arzneimittelresistenz bei. B. Galectin 3, DDX7 und IκB tragen zur Resistenz gegen PIs, TKIs, platinhaltige Substanzen und Gemcitabin aufgrund der Aktivierung von β-Catenin- und NF-κB-Signalwegen bei. C. E2F7 oder TOP2A verursachen Resistenz gegen Anthrazykline. D. CEBPβ führt zur Resistenz gegen PI3Ka-Inhibitoren.
XPO1 –
Das Zusammenspiel des Wirkmechanismus mit anderen Wirkstoffklassen im Detail.
SINE –
Ein neuer Wirkmechanismus erweitert das Behandlungsspektrum in der Hämatologie und Onkologie.

D oder d, Dexamethason; Dara, Daratumumab; M, Melphalan; NDMM, neu diagnostiziertes Multiples Myelom; P, Prednison; PI, Proteasominhibitor; R, Lenalidomid; RRMM, rezidiviertes/refraktäres Multiples Myelom; SINE, selektiver Inhibitor des Kernexports (selective inhibitor of nuclear export); T, Thalidomid; TKI, Tyrosinkinaseinhibitor; V, Bortezomib; XPO1, Exportin 1.

  • Dimopoulos MA et al. Multiple myeloma: EHA-ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol. 2021;32(3):309–322.
  • Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) oder Multiplem Myelom, Langversion 1.0, 2022, AWMF-Registernummer: 018/035OL, https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/multiples-myelom/. (Zugriff am 15.07.2022).
  • Multiples Myelom, Zentrum für Krebsregisterdaten (Robert Koch Institut). https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Multiples%20Myelom/multiples_myelom_node.html. (Zugriff am 15.07.2022).
  • Kurtin SE. Relapsed or relapsed/refractory multiple myeloma. J Adv Pract Oncol. 2013;4(6)(suppl 1):5–14.
  • Corre J et al. Multiple myeloma clonal evolution in homogeneously treated patients. Leukemia. 2018;32(12):2636–2647.
  • Salomon-Perzynski A, Jamroziak K, Głodkowska-Mrówka E. Clonal evolution of multiple myeloma clinical and diagnostic implications. Diagnostics (Basel). 2021;11(9):1534.
  • Keats JJ et al. Clonal competition with alternating dominance in multiple myeloma. Blood. 2012;120(5):1067-1076.
  • Nachmias B, Schimmer AD. Targeting nuclear import and export in hematological malignancies. Leukemia. 2020;34:2875–2886.
  • Sellin M, Berg S, Hagen P, Zhang J. The molecular mechanism and challenge of targeting XPO1 in treatment of relapsed and refractory myeloma. Transl Oncol. 2022;22:101448.
  • Grosicki S, et al. Once-per-week selinexor, bortezomib, and dexamethasone versus twice-per-week bortezomib and dexamethasone in patients with multiple myeloma (BOSTON): a randomised, open-label, phase 3 trial. Lancet. 2020;369(10262):1563–1573.